Schaum als Revolution an Bahngleisen – Artikel in der „Allgemeine Zeitung Uelzen“

Schaum als Revolution an Bahngleisen

Weniger Lärm, weniger Kosten: Start des ersten Versuchs an ICE-Strecke zwischen Uelzen und Bad Bevensen

Von Hartmut Reichardt

Uelzen. Es soll die Bahn leiser machen und die Gleise fester. Es soll billiger sein als alle bisherigen Bauverfahren und später sogar triste Gleise in Bahnhöfen sauberer und bunter werden lassen. Was wie technisches Hexenwerk klingt, wurde jetzt im bundesweit ersten Großversuch gestartet: Das Verschäumen von Schotter eines Gleisbetts an der ICE-Schnellstrecke Hannover-Hamburg.

Ortstermin bei Kilometer 101 zwischen Bad Bevensen und Uelzen. Auf einer Wiese nahe der Ortschaft Emmendorf gleich neben der ICE-Strecke parken viele schwarze Limousinen. Die Premierenbesucher werfen sich Warnwesten über. Denn der normale Zugverkehr rollt über das Nordgleis weiter. Zehn Jahre hat Jürgen Frenzel an dem Patent gearbeitet, jetzt genehmigten die Bundesministerien für Verkehr und Wirtschaft zusammen mit dem Bonner Eisenbahnbundesamt den Echt-Versuch des Fredener Unternehmers.

Frenzels Idee: Seit Beginn des Eisenbahnverkehrs legt die Bahn ihre Gleise ins Schotterbett. Heute kostet ein Meter Gleisbett zwischen 500 und 550 Euro. Doch der Schotter bleibt nicht stabil. Unter den hohen Belastungen immer dichterer Zugfolgen und immer höherer Geschwindigkeiten steigen Anforderungen und Verschleiß. Erst kürzlich hatte der Bundesrechnungshof der Bahn AG Netz eine schwere Rüge erteilt, weil die Bahn die nötigen Wartungsarbeiten am Gleiskörper unterlasse.

„Wir freuen uns, dass die Bahn mehr Geld in das Schienennetz fließen lässt“, kommentierte Frenzel den Druck auf die Bahn und bietet seine Lösung an. Über einer Drainagematte wird – wie bisher – Schotter aufgetragen. Nach Einbau der Schwellen musste bisher der Schotter gestopft werden, wie es in Fachkreisen heißt. Das ist teuer und für Anwohner laut. Bei Frenzels Methode wird mittels einer Spezialmaschine „Durflex“ in den Schotter eingebracht. Die sirupartige Flüssigkeit fließt in die Zwischenräume und schäumt dabei bis zum Sechsfachen seines Urzustands auf.

Der Schotter wird so verklebt, die Schwellen bekommen eine viel größere Festigkeit und die Lasten des Schienenverkehrs werden gleichmäßiger auf den Untergrund verteilt. Außerdem wird das seitliche Auswandern der Schwellen gemindert.

Frenzels System, eine Entwicklung mit der Bayer AG sowie der Bayer-Tochter Hennecke, wurde in der Materialprüfanstalt Braunschweig getestet. Die Freigabe vom Eisenbahnbundesamt erhielt Frenzel aber erst, als er die umweltneutrale Wiederaufarbeitung von geschäumtem Schotter nachweisen konnte. Auch geringere Schallemissionen bei geschäumten Gleiskörpern stellten Frenzel zufolge einen Vorteil dar.

Denn bei der verkehrs- und umweltpolitisch gewollten Zunahme des Schienenverkehrs würde gleichzeitig der Druck von Anwohnern wachsen, sich von teuren Lärmschutzwänden abschirmen zu lassen. Frenzel ließ durchblicken, dass glatte, von Schotter nicht verdeckte Schaumoberflächen in Bahnhöfen zu bunten und leicht sauber zu haltenden Gleiskörpern führen könnten. Der Großversuch an der ICE-Strecke kostet rund eine Million Euro und soll bis zum Jahr 2010 laufen.